Eine Nürnberger Gemeinde hat einen Flügel der Marke J. L. Duysen bekommen. Der Organist der Kirche ist von dem Instrument ganz begeistert, da es schön klingt. Die Klavierstimmerei Praeludio wurde beauftragt, für gute Stimmung zu sorgen.
#Hörbeispiel Duysen-Flügel von 1925 http://t.co/eYYIDpcK0h pic.twitter.com/8LRByqO00W
— Matthias Meiners (@Praeludio) 21. Juli 2015
Was bei der Verstimmung als erstes auffällt, ist der unterste Ton A2. Die Taste lässt sich nicht herunterdrücken. Folglich kommt kein Ton. Als nächstes fällt auch dem ungeübten Ohr auf, dass der Diskant im Vergleich zur Gesamttonhöhe viel zu tief ist. Das ist ein Beispiel für eine Stimmung ohne die so genannte Spreizung. Eine derartige Klavierstimmung verbessert nicht die eigene Laune, sondern zieht einen förmlich in die Tristesse. Bei der Analyse mit dem Stimmgerät fällt auf, dass der Flügel für sein Alter viel zu hoch gestimmt ist: Er steht auf 445 Hertz! Aber er wurde schon 1925 und somit vor 1939 gebaut, jenem Jahr, in dem man erst 440 Hertz als Frequenz für den Kammerton festgelegt hat. Der letzte Stimmer hatte Glück, dass ihm keine Saiten gerissen sind.
Dieser letzte Stimmer beschäftigte mich anschließend längere Zeit. Auf der Suche nach der Ursache für das nicht funktionierende A2 fand ich heraus, dass hinten in der Mechanik etwas auf der Taste lag, das verhinderte, dass man vorne die Taste herunterdrücken konnte. Es war etwas aus Gummi. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen kam ein Gummikeil der Marke Eigenbau heraus. Der war diesem Kollegen wohl in den Flügel gefallen und ist möglicherweise beim Transport dann so unglücklich in die Mechanik gerutscht.
Werkzeug des letzten #Klavierstimmers in der Flügelmechanik http://t.co/eYYIDpcK0h #Klavierservice pic.twitter.com/8K6xxOtg9H
— Matthias Meiners (@Praeludio) 21. Juli 2015
Beim Probespielen des nun gestimmten Flügels stört ein Nebengeräusch, das im Zusammenhang mit dem Treten des rechten Tonhalte-Pedals zu stehen scheint. Am Ende der zweiten Aufnahme können Sie es deutlich hören, am besten indem Sie die Lautsprecher etwas lauter stellen. Wenn Sie sich nun das Praeludio im zweiten Teil des mittleren Hörbeispiels noch einmal anhören, dann fällt Ihnen sicher das Nebengeräusch bei jedem Pedaleinsatz auf. Nachdem diese Störung gefunden und behoben werden konnte, folgte ein zweites Probespielen.
Jes Leve Duysen war ein deutscher Klavierbauer. Nach einer längeren Lern- und Erfahrungszeit bei mehreren Firmen in Deutschland gründete er 1860 in Berlin seine eigene Klavierfabrik. Das war in der Hochzeit des deutschen Klavierbaus. Zahlreiche engagierte Klavierbauer optimierten das Instrument sowie die Fabrikation. Genialität und Kreativität waren gefragte und scheinbar auch erwünschte Eigenschaften. Zwischen 1890 und 1903 wurden in der Klavierfabrik J. L. Duysen pro Jahr 500 Instrumente gebaut, je zur Hälfte Flügel und Klaviere.
Doch das Klima änderte sich nach 1900. Die veränderte Stimmung drückte der Komponist Igor Strawinsky 1913 in dem Ballett Le sacre du printemps (Das Frühlingsopfer) aus. Der Erste Weltkrieg traf natürlch auch die Klavierbauer hart. Auf den sich immer stärker verändernden Markt reagierte einzelne Firmen, indem man sie sich neu organisierten. 1926 wurde die Duysen-Produktion von Berlin nach Braunschweig verlagert. Die folgenden Klavierfirmen schlossen sich dort zur Deutschen Pianowerke AG zusammen:
Wie bereits erwähnt ist der Flügel aus unserem Hörbeispiel 1925 gebaut worden. Bereits unsere Urgroßväter haben als Handwerker somit Ende 1800 und Anfang 1900 nachhaltig produziert. Unglaublich viele der damals in Deutschland in Massenproduktion hergestellten Instrumente spielen heute immer noch. Und so wird auch dieser Flügel an seinem neuen Standort in der Kirche in Nürnberg noch viele Menschen mit seinem angenehmen Klang erfreuen.
#Nachhaltiger #Klavierbau: Flügel von Jes Leve Duysen von 1925 http://t.co/eYYIDpcK0h pic.twitter.com/a9tOIFRYkf
— Matthias Meiners (@Praeludio) 21. Juli 2015