Sie hören ein Klavier, das den schönen Namen W. Hoffmann trägt. Darüber hinaus hat es den Zusatz designed by Bechstein. Somit ist es imstande, uns etwas über das aktuelle Klaviermarketing in Deutschland zu berichten.
Unternehmen sollen Gewinn machen. Wie kann man diesen Optimieren? Indem man die Produktion in Billiglohnländer auslagert, das Produkt selbst aber mit einem deutschen Namen sowie ehrlicherweise mit dem Hinweis auf einen Design-Prozess im Idealfall veredelt. Der deutsche Name suggeriert ein Produkt aus Deutschland. Doch tatsächlich stammt unser Klavier aus Tschechien und wurde dort von Petrof hergestellt. Das schön zu lesende designed by der einer so genannten Bechstein-Gruppe beschränkt sich darauf, Petrof einen diesbezüglichen Produktionsauftrag erteilt zu haben. Das heißt, Petrof baute einfach eines seiner Modelle und setzte anstelle von Petrof den Wunschnamen W. Hoffmann auf die Innenseite der Tastenklappe. Den Namen W. Hoffmann hat Bechstein irgendwann einmal günstig in das Portfolio der Hausmarken integriert. Die Konstruktion der Instrumente, auf denen dieser Namen steht, ist beliebig austauschbar, wie die aktuellen Modelle aus dieser Serie beweisen. Es geht ja nur um den schönen Schein, nicht um die Überzeugung einer Konstruktionslinie. Wenn es um besondere klangliche oder spieltechnische Effekte im Zusammenhang dem Konstruktions-Design geht, dann sind das letztendlich nur leere Worthülsen in den Verkaufsprospekten, die dem Endverbraucher eine derartige Wirklichkeit vorgaukeln. Das heißt, bestimmte Schlussfolgerungen werden dem Leser nahegelegt. Der Gedanke entsteht jedoch erst im Kopf des Kunden. Zum Beispiel wenn er davon ausgeht, dass ein Klavier mit deutschem Namen aus Deutschland kommt.
Wie ist nun unser Modell 125 der Marke W. Hoffmann qualitativ zu beurteilen? Die Klaviere sind recht gut. Sie haben mit 125 cm einen hohen Klangkörper. Dieser ist der Garant für einen angenehmen Klang. Die Mechanik ist eine Renner-Kopie, mit einer offiziellen Lizenz für Petrof. Das müsste laut Lizenzvereinbarung auf dem Produkt eigentlich ersichtlich sein, um Preis und Leistung entsprechend differenzieren zu können. Doch darüber setzt sich Bechstein großzügig hinweg. Manchmal muss man der positiven Suggestion in den Köpfen seiner Kunden einfach etwas nachhelfen. Die Stimmbarkeit ist nicht immer ganz leicht, doch das Problem ist lösbar. Vor allem das Höherstimmen funktioniert problemlos, das heißt, dass das Risiko von Saitenbrüchen nahezu gegen Null geht.
Die beiden Aufnahmen ergeben einen sehr schönen Vergleich verschiedener Aspekte der Klavierstimmung. Zum Beispiel hört man bei der Verstimmung einen Klavierton, von dem man geneigt ist, ihn in die Kategorie Sound aufzunehmen. Im Vergleich zu dem wesentlichen ruhigeren, da präziseren Ton der gestimmten Version hat der verstimmte Ton mehr Breite, einen vielfältigeren Klang, der ihn eben prädestiniert für die genau genommen emotional wertvollere Kategorie des Sounds. Einem ähnlichen Gedanken folgt Bechstein bei der Formulierung, dass deren Pianos einen singenden Ton hätten, der sie prägnant von den Produkten der Mitbewerber unterscheiden würde.
Außerdem fehlt auf der Aufnahme der Verstimmung der Stimmung deutlich hörbar die Spreizung. In der Tonreihe wirken die Töne im Diskant traurig. Sie ziehen einen förmlich herunter. Hört man sich die Aufnahme der Verstimmung isoliert hat, dann wirkt dieses Phänomen lediglich unterbewusst. Das heißt, die über die Stimmung bzw. genau genommen die Verstimmung transportierte Traurigkeit kann ungebremst auf uns wirken. Vergleicht man hingegen die beiden Aufnahmen Sequenz für Sequenz, so wird das Phänomen deutlich und einem bewusst. Die gespreizte Stimmung ist eine Besonderheit der Klavierstimmung und sie hat eine freudig erhebende Wirkung. Das ist es, was Stimmung auch tatsächlich leisten sollte, wenn man davon ausgeht, dass man mit der Gestimmtheit die gute Stimmung meint, in der wiederum aufgrund einer Annahme eine freudvolle Stimmung der Trauerstimmung vorzuziehen ist. Tatsächlich kann man das durch eine entsprechende Wortwahl konkret vermitteln: Es ist die eigene Gestimmtheit, die wohl gut sein muss, denn andernfalls hat man eine miese Laune oder ist schlecht drauf. Natürlich gibt es Zeiten, in denen Trauer ihren angemessenen Raum hat. Doch will man sich mit Traurigkeit ja wohl kaum täglich infizieren. In unserer Zeit ist es ja so, dass uns die täglichen Nachrichten sowie die Rasanz der aktuellen Entwicklung meist die Laune schon derart verderben, dass es eben Hilfsmittel wie der Musik bedarf, um uns wieder aufzubauen. Daher braucht es eine entsprechend stark gespreizte Klavierstimmung, die eine erhebende Wirkung auf den Klavierspieler und seine Zuhörer hat.
Sie vermissen in diesem Beitrag die Bilder vom Klavier? Nun, es handelte sich um ein schwarzes Hochglanzklavier. Das ist weitgehend bekannt. Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich aufgrund des intensiven Austauschs mit dem Klavierbesitzer über die verschiedensten Aspekte der Musik und aktuellen Entwicklungen im Klavierbau vergaß, Bilder anzufertigen.